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Die Stellung der Frau
Wenn man die hierarchische Struktur der religiösen Ämter außer Betracht läßt, ist die Stellung der Frau im kultischen Leben der Aleviten als gleichberechtigt anzusehen. Die Aufgaben der Ehefrau des Dede
sind teilweise mit dem der Dedes synchron, ihre Meinung wird bei Tabubrüchen und Sanktionen miteinbezogen; in jedem Fall genießen sie einen hohen sozialen Status. Der Umstand, daß heilige Familien die religiöse
Führung innehaben, garantiert auch den Kindern solcher Familien, beliebig welchen Geschlechts und ob sie Mitglieder von talip-Familien (Anhängerschaft) geehelicht haben, eine Vorzugsstellung in der Gemeinde. Zwar
ist die Gleichstellung von Mann und Frau faktisch nicht gegeben, im sozialen Alltag machen sich patriarchale Strukturen durchaus bemerkbar, der Anspruch von „namus“ (Ehre) manifestiert sich auch bei den
Aleviten im sexuellen Wohlverhalten der Frau. Nichtsdestotrotz genießen sie im Vergleich mit sunnitischen Frauen größere Freiheiten. Das Tragen eines Kopftuchs ist kein Obligat, obwohl ältere Frauen in ländlichen
Gebieten diesen Usus durchaus befolgen, wobei nur die Haare teilweise bedeckt werden und Schleier absolut unüblich sind. Ihnen kommt hingegen das Monogamie-Gebot zugute, zudem ist ihre Anwesenheit bei geselligen
Versammlungen nicht verboten, der Alkoholkonsum ist beiden Geschlechtern vorbehalten, eine geschlechtsspezifische Diskriminierung findet zumindest während der Initiation nicht statt.
Nichtsdestotrotz kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Aleviten eine patriarchale Gesellschaftsstruktur haben. Oftmals wird in der Literatur geflissentlich verschwiegen, daß die gestellten
Vergleiche stets Sunniten und Aleviten gegenüberstellen und die Alevitin bei dieser Gegenüberstellung positiv abschneidet, weil ihr in diesem besonderen Fall mehr Rechte zugestanden werden als ihrer sunnitischen
Geschlechtsgenossin.
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