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Anzahl und Verteilung der Aleviten
Festzustellen, wie viele Aleviten heute in der Türkei leben, ist praktisch unmöglich. Sie unterscheiden sich von anderen gesellschaftlichen Gruppen weder durch ihre Sprache - die meisten sprechen
Türkisch als ihre Mutter-sprache - noch sind sie geographisch zuzuordnen, denn Aleviten leben in fast allen Provinzen des Landes. Aleviten fallen auch nicht durch ihr Äußeres wie z.B. Haut-, Haarfarbe oder Augenform
auf. Auch tragen sie keine typische Kleidung, die sie von allen anderen abhebt. Tatsächlich ist es schwer, jemanden als Aleviten zu identifizieren, es sei denn, er gibt sich im Gespräch als solcher zu erkennen.
Manche geben es nicht einmal offen zu, Alevit zu sein. Die meisten alevitischen Schriftsteller und Wort-führer behaupten, ein Drittel der heutigen türkischen Be-völkerung sei den Alevi-Bektaschi zuzurechnen. Das
wären mehr als 20 Millionen Menschen. Niedrigere Schätzungen gehen von 10 bis 12 Millionen aus. Traditionell gab es große Gruppierungen türkisch sprechender Aleviten in den zentral- und ostanatolischen Provinzen
Çorum, Amasya, Tokat, Yozgat, Çankiri, Sivas, Elazig, Malatya, Adiyaman, Bingöl, Mus und Kars. Man hat diese Aleviten auch als Kizilbasch (Kizilbas) oder Turkmenen (Türkmen) bezeichnet (wobei freilich nicht alle
Turkmenen Aleviten sind). Durch die Wanderungsbewegungen der türkischen Bevölkerung in neuerer Zeit in die Städte und die allgemein zunehmende Mobilität, sind die Aleviten heute jedoch in fast allen Provinzen des
Landes anzutreffen. Eine alevitische Gruppe, die ursprünglich in einer Gegend mit dem Namen Dersim (die heutige Provinz Tunceli sowie Teile der Provinzen Erzincan und Erzurum) gewohnt hat, spricht als
Muttersprache das sogenannte Zazaca oder Dersimce. Sie werden manchmal auch als Kizilbas-Kurden bezeichnet. Noch eine weitere, kleinere Gruppe türkischsprechender Aleviten, die Holz-fäller (Tahtacilar) genannt wird,
hat sich ursprünglich in den Regionen des Mittelmeeres und der Ägäis aus-gebreitet. Obwohl dieses Buch die anatolischen Aleviten be-handelt, sollte der Leser auch mit den Namen ähnlicher Gruppen in den
angrenzenden Ländern bekannt gemacht werden. Arabisch sprechende Gruppen mit Glaubens-ansichten und Bräuchen, die denen der Türkisch sprech-enden Aleviten ähnlich sind, werden Nusayri, Alawite oder Alouite genannt.
Kleinere Gruppierungen im Irak und Iran werden als Ahl-i Haqq (Ali Ilahis) und Schabak bezeichnet. Einige Gelehrte fassen viele dieser Gruppen unter dem Namen Ghulat zusammen. In der heutigen Zeit legen die
anatolischen Aleviten allerdings weniger Wert auf ihre Nähe zu diesen Gruppen im Iran, Irak und in Syrien. Viel eher betonen sie die Ähnlichkeiten zwischen ihnen und türkisch sprechenden Gruppen in Zentralasien oder
den Bektaschis in den Balkanländern
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