Die persönliche Andacht der Aleviten /die persönliche Glaubenspraktizierung der Aleviten
Als Praktizierender und Gläubiger der alevitischen Lehre versuche ich mein Wissen in Form von Gesprächen, Büchern und kooperativen Arbeiten zu leisten.
Dabei treffe ich auf häufig auftretende Fragestellungen.
Haben die Aleviten einen individuellen Gottesdienst?
Wie sieht ein solcher Gottesdienst aus? Haben sie gewisse Regeln oder Formen beim Beten?
Beten Aleviten nur gemeinsam in Gottesdiensten?
Beten sie auch allein, stillschweigend für sich?
Mein persönlicher Glauben und Glaubensstil werden ebenfalls hinterfragt: Wie bete ich denn genau? Werden meine Gebete von Gott erhört bzw. wird Gott darauf reagieren?
Während ich auf solche oder ähnliche Fragen Antworten gebe, versuche ich vorrangig zu erklären, wie die Cem-Zeremonie, der Gottesdienst der Aleviten, grundsätzlich aussieht und welche Wirkung die Zeremonie auf meine geistige Welt und folglich auch auf mein Leben hat.
Nachdem ich anfangs auf den Cem-Gottesdienst und seinen Zweck erläutert habe, fahre ich mit dem Thema „persönliche Andacht“ fort.
(Diejenigen, die sich für den Cem-Gottesdienst sowie das dadurch bei mir entstandene geistliche Weltbild näher interessieren, sowie das dadurch bei mir entstandene geistliche Weltbild, können diese Themen in meinen Büchern nachlesen.)
Zunächst muss gesagt werden, dass der individuelle Andacht der Aleviten an keinerlei Regeln, Bewegungsformen, Zeiten oder Örtlichkeiten gebunden ist.
Folglich kann man überall zu jeder Stunde zu Gott beten und versuchen ihm nahe zu sein.
Mit dieser Antwort tun sich einige Menschen sehr schwer, denn keines der bekannten „Glaubenszeichen“ lässt sich mit denen der Aleviten identifizieren.
Denn Aleviten haben im Gegensatz zu anderen Gemeinschaften keinerlei bindende und fixe Bewegungsformen, genauso wenig meditieren sie, wie es bei den Buddhisten der Fall ist.
Auch das Kreuz als dreifaches Symbol, wie es bei den Christen nach dem Gebet üblich ist, hat bei den Aleviten keine Bedeutung.
Ungewollt vergleicht man das Alevitentum mit anderen Glaubensrichtungen und sucht nach seinen „Glaubenszeichen oder -bewegungen“.
Bei den Aleviten gibt es während ihrer persönlichen Andacht keinerlei Regeln.
Sie beten in der Sprache, in der Form und zu der Zeit, die sie bevorzugen. Grundsätzlich dauert es seine Zeit bis man diese Glaubensauffassung verinnerlicht hat, denn unsere Psyche ist ungewollt von den Leitbildern der anderen Religionen voreingenommen.
Die Gründe, weshalb ich bete, sind vielfältig.
Je nach Situation bete ich mit persönliche Danksagungen oder für die immerwährende Hilfe in schweren Momenten.
Ebenso bete ich zu Gott, um ihn für die Herrlichkeit und die Schönheit der Erde zu ehren.
Daneben bringe ich zum Ausdruck, auf dem rechten Weg zu sein und unterstreiche dabei meine Liebe zu der Ehlibeyt.
Am Abend von Donnerstag auf Freitag sage ich auf jeden Fall das Gebet zur Erweckung des Lichtes (Delil /Cerag) auf. Ansonsten befolge ich keine besondere Zeit zum Beten.
Frühmorgens, bevor ich mit meinem Tag beginne, trage ich grundsätzlich ein Dankesgebet nach folgendem Muster vor:
„Allmächtiger Gott, Lob und Dank sei für diesen weiteren Tag, den ich erleben darf.
Lieber Gott, beschütze mich vor Menschen, die versuchen, mich vom rechten Weg abzubringen.
Bewahre mich vor Menschen, die meine Lage nicht verstehen.
Halte mich fern von Niederträchtigkeiten.
Hilf uns weiterhin, den richtigen Pfad in der Zukunft zu finden.“
Genauso kommt es vor, dass ich während des Tages bete, um mich mit Gott zu unterhalten.
Bevor ich einschlafe habe ich ebenfalls das Bedürfnis, noch einmal zu beten.
„ Allmächtiger Gott,
mein einziges Ziel ist es ein Leben nach deinen Willen bzw. Einvernehmen (Rizalik) zu führen.
Halte mich in diesem kurzen Leben fern vom Grausamen.
Schütze mich vor Menschen, die ihrem Egoismus und Verlangen verfallen sind.
Halte mich fern vom Schlechten und lass mich nicht von schlechten Menschen abhängig sein.
Trenne mich nicht vom rechten Weg des Ehlibeyt.
Beschütze die Menschen, die Leid ertragen müssen.
Lass ihre Seelen rein und sauber.
Lob und Preis sei Dir“
Nachdem ich das Gebet beendet habe, führe ich erst meine rechte Hand Richtung Herz und dann an meine Lippen (Niyaz).
Ob man seine Gebete leise in sich gekehrt betet oder laut aufsagt, spielt keine Rolle.
Zudem gleicht ein Gebet nie dem anderen, doch grundsätzlich sind sie wie die oben aufgeschriebenen Beispiele aufgebaut.
Selbstverständlich beten die Menschen mit dem Glauben, dass ihre Gebete erhört werden, dies trifft natürlich auch für mich zu.
Ich gehe meiner Bestimmung nach.
Denn Gott ist allwissend.
Meine persönliche Erfahrung, meine Gebete werden erhört, kein Zweifel!
Remzi Kaptan
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