Die Rolle der Frau
Alevitische Autoren und Intellektuelle betonen immer wieder, dass die alevitischen Frauen gleichberechtigt sind. Durch das Hervorheben der Gleichberechtigung grenzen sich die Aleviten von den Sunniten und anderen islamischen Richtungen sehr stark ab. Die Aleviten sehen es als eine Besonderheit ihrer Lehre, dass Mann und Frau gleichgestellt sind. Im religiösen Kontext mag es sein, dass die Gleichstellung eine große Rolle spielt, doch im Alltag gibt es eine Rollenzuweisung, bei der die Gleichberechtigung nicht immer stattfindet. Vor allem in ländlichen Regionen in Anatolien sind patriarchalische Strukturen bei den Aleviten vorzufinden. Obwohl die alevitischen Frauen, verglichen mit ihren sunnitischen Mitbürgerinnen, gewisse Freiheiten in Deutschland haben als in der Türkei, werden jedoch patriarchalische Grundmuster zum Teil auch in Deutschland weiter gelebt.
Viele alevitische Vereine haben auch einen Frauenausschuss, in denen gezielte Themen über die Rolle der Frau diskutiert werden. Durch die in ihrer Lehre verankerte Gleichberechtigung spielen die Aleviten im Allgemeinen eine wichtige Rolle innerhalb des Islams. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist für die Aleviten von großer Bedeutung. Dies zeigt sich auch darin, dass die Aleviten an ihren religiösen Zeremonien und Feiern mit ihren Frauen, Müttern und Töchtern gemeinsam teilnehmen. In den alevitischen Familien werden den Söhnen und den Töchter die gleichen Möglichkeiten geboten, um sich entfalten zu können. Solch eine Struktur ist bei anderen islamischen Gemeinschaften selten zu finden. Trotz dieses positiven Bildes haben die Aleviten in Deutschland es nicht geschafft, sich von ihren anatolischen Traditionen loszulösen. Es muss jedoch angemerkt werden, dass hier keine religiösen Vorschriften die Frau aus dem Alltäglichen verbannen, sondern es sind die soziokulturellen Hintergründe, warum die alevitischen Frauen sich nicht entfalten können. Religiös betrachtet, kann auch eine Frau, eine Ana (im Abwesenheit einer Dede), die Cem-Zeremonie leiten, in der alevitischen Lehre ist dies kein Hindernis, sodass die Frau ihre Gleichberechtigung genießt. Eine Hervorhebung der Rolle der alevitischen Frauen würde erheblich dazu beitragen, dass sich die alevitische Bewegung in Deutschland zum Positiven wendet. Doch auch die alevitischen Frauen, wie viele Frauen in islamisch geprägten Ländern, konnten sich wegen der gesellschaftlichen Struktur der Männerdominanz nicht entwickeln.
Dies sollte auch ihren Mitmenschen bewusst machen, dass der Islam nicht nur aus der Scharia festgeschriebene Unterdrückung der Frau besteht. Das niedrige Bildungsniveau der alevitischen Frau hindert sie daran, sich in der gesellschaftlichen, sozialen und religiösen Rolle ganz zu entfalten. Um sich in der alevitischen Gesellschaft, aber auch in anderen Gesellschaften durchsetzen zu können, ist ein höheres Bildungsniveau notwendig.
Wenn man jedoch die Struktur der Vereine und die Teilnahme der alevitischen Frauen am Vereinsalltag betrachtet, so kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die alevitische Frau ihre Rolle nicht aufgegriffen hat. Obwohl immer wieder die Gleichberechtigung bei den Aleviten lauthals propagiert wurde, sieht die Realität ganz anders aus. Dass die alevitischen Frauen in den Führungspositionen nicht vorzufinden sind, ist damit zu erklären, dass sie die Hauptlast des Haushaltes und der Kindererziehung tragen.
Remzi Kaptan
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